Jede Kultur hat ihre traditionellen Hausmittel. In verschiedensten Ländern sind Ärzte oder Spitäler auch heutzutage noch oft erst nach mehrtägiger und beschwerlicher Reise erreichbar. Deshalb sind weltweit grosse Teile der Bevölkerung darauf angewiesen, eine Vielzahl von Krankheiten und Gebrechen selbst zu behandeln.
Bei uns in den entwickelten europäischen Ländern ist die Krankenversorgung so stark vernetzt, dass bei jedem Unwohlsein der Arzt aufgesucht werden kann und ihm oft bedenkenlos die Versorgung mit Medikamenten überlassen wird. Vor noch nicht allzulanger Zeit wurden auch bei uns mit Heilkräutern, Schröpfen und Umschlägen Pathogene ausgeleitet und die Selbstheilungskräfte mit Kräutern und Suppen gestärkt, bevor der Arzt aufgesucht wurde.
Nicht alle Rezepte, die unsere Mütter und Väter von ihren Eltern und Ureltern überliefert bekommen haben, sind in Büchern festgehalten worden. Wer sich bei der älteren Generation über die damaligen Hausrezepte, Tipps und Tricks zur Heilung verschiedener gesundheitlicher Probleme erkundigt, kann sich über seltsame Rezepte und - wenn man sie ausprobiert - über deren Wirksamkeit wundern. Meist hat man die dazu benötigten Zutaten zuhause und kann sofort mit Erste-Hilfe-Massnahmen reagieren.
In der östlichen Heilkunde gehören zu den traditionellen "Hausmitteln" Ausleitungsverfahren wie Schröpfen und Gua Sha und als wärmende Methode die Moxibustion. Diese Techniken sind weit verbreitet und werden heute noch innerhalb der Familie angewendet, um erste Hilfe bei verschiedensten gesundheitlichen Problemen zu leisten. Mehr zu diesen Methoden unter "Behandlungsmethoden" - "Moxa, Schröpfen, Gua Sha" und unter "Infos" - "Kurse für den Hausgebrauch".
Die traditionelle Chinesische Medizin besteht im Wesentlichen aus den fünf Säulen Akupunktur, Tui Na (manuelle chinesische Therapie), Kräuterheilkunde, Ernährungslehre und Qi Gong. Diese Methoden werden mit Vorteil miteinander kombiniert und nicht einzeln angewendet.
Mit Akupunktur und Tui Na-Therapie werden Blockaden gelöst und der Energiefluss verbessert, sodass durch die anregende und ausgleichende Wirkung der Körper in seinen Funktionen unterstützt wird.
Bei Schwäche und Mangelerscheinungen wird der Organismus mit Kräuterrezepturen und angepasster Ernährung aufgebaut und gestärkt. Kräuterrezepturen werden auch verschrieben, um bei akuten Krankheiten Pathogene auszuleiten.
Qi Gong beinhaltet Atem-/Körper- und Meditationsübungen und wird zur Unterstützung des Heilungsprozesses empfohlen. Präventiv, zur Stabilisierung des Gesundheitszustandes, wird es in China von einem grossen Teil der Bevölkerung täglich in den frühen Morgenstunden im Park geübt.
Mehr zu diesen einzelnen Therapieformen unter "Behandlungsmethoden", "Die fünf Säulen der TCM".
Bereits im 13. Jahrhundert brachte Marco Polo erste Berichte über die TCM, speziell über die Akupunktur, nach Europa. Bis die TCM aber auch im Westen praktiziert wurde, dauerte es noch einige Jahrhunderte. Der Handel zwischen Frankreich, Holland und England mit den Asiatischen Staaten um das 19. Jahrhundert verschaffte der Chinesischen Medizin, besonders der Akupunktur, schliesslich auch in unseren Breitengraden mehr Aufmerksamkeit und Interesse.
Den eigentlichen Durchbruch erlebte die Akupunktur aber erst anfangs des 20. Jahrhunderts, als die ersten guten Übersetzungen der chinesischen Originalquellen nach Europa kamen. Der Franzose Georges Soulié de Morant, der durch langjährige Aufenthalte in China sowohl die Chinesische Sprache verstand als auch von chinesischen Ärzten in Akupunktur unterrichtet worden war, verfasste diese ersten Publikationen. Wieder zurück in Paris, forschte und experimentierte Soulié de Morant zusammen mit dem französischen Arzt Paul Ferreyrolles und die beiden veröffentlichten erste eigene Artikel über Akupunktur. Im Verlauf der Jahre verfasste Soulié de Morant nebst über 20 Publikationen auch das dreibändige Werk „L’acupuncture chinoise“, das in den Jahren 1939 bis 1955 erschienen ist.
Die Chinesische Arzneimitteltherapie wurde in Europa erst Mitte des 20. Jahrhunderts bekannt, als erstmals Übersetzungen von Werken über chinesische Heilmittel in verschiedenen europäischen Sprachen erhältlich wurden.
Wie die Indianer betrachten auch die Chinesen den menschlichen Körper als einen Mikrokosmos im Makrokosmos. Alle Formen des Lebens werden von derselben essentiellen Lebenskraft, dem Qi, mit Leben erfüllt. Bei unserer Zeugung erhalten wir Qi von unseren Eltern und vom Kosmos. Diese Energie wird das "Ursprungs-Qi", das „yuan-Qi“ genannt und ist in unseren Nieren gespeichert. Sobald wir auf die Welt kommen, bilden wir das nachgeburtliche Qi. Wir nehmen beim Atmen Qi aus der Luft auf und leiten es an die Lungen weiter. Unser Verdauungssystem lernt, die dem Körper zugeführte Nahrung zu körpereigenen Stoffen umzuwandeln, damit unser täglicher Energiebedarf gedeckt ist, den wir zum Leben brauchen. Qi beinhaltet sowohl eine materielle als auch eine immaterielle Natur.
Das chinesische Schriftzeichen für Qi heisst übersetzt: „Der Dampf oder Nebel, der von kochendem Reis aufsteigt“. Übertragen auf den Körper heisst dies, dass durch die Verdauung oder das Kochen von Getreide Qi, Einflüsse oder Säfte produziert werden. Der materielle Körper ist das Gefäss (Yin), das das Qi speichert und umfasst und durch dieses Speichern wird Qi Funktion, also Aktivität oder Energie (Yang) erst möglich.
Yin ist die materielle, also verdichtete, sichtbare Energie. Yin zeigt sich in den anatomischen Strukturen wie beispielsweise in Gewebe, Muskeln, Blutgfefässen, Körperflüssigkeiten, Sehnen, Knochen und Organen.
Yang hingegen ist die feinstoffliche Energie. Dazu gehören Körperfunktionen wie das Pulsieren des Herzens, das Ein- und Ausatmen der Lungen, die Verdauungsfunktionen des Magens und die Darmperistaltik, die Verstoffwechselung, die Reizleitungen des vegetativen Nervensystems, aber auch unsere Gedanken und Erinnerungen, die untrennbar Teil jedes lebenden Organismus sind.
Die Qualität, Quantität und das Gleichgewicht von Qi im menschlichen Organismus bedingt den Gesundheitszustand und die Lebensdauer jedes Individuums. Das Gleichgewicht von Yin- und Yang im Körper wird selbst wiederum von Faktoren wie Jahreszeit, Klima, Lebensstil, Ernährung und der eingeatmeten Luft beeinflusst. So sind gesunde Ernährung, ausreichend Bewegung, genügend Ruhepausen und Schlaf wie auch emotionale Ausgeglichenheit notwendig, damit der Körper in sich im Gleichgewicht ruht und äusseren Einflüssen wie Luftverschmutzung, Wind, Kälte, Feuchtigkeit, Hitze und Trockenheit, Viren oder Bakterien, geopathischen Störungen, Lärm und Stress im Alltag, standhalten kann.
Erste spürbare Zeichen für ein Ungleichgewicht der Energie äussern sich oft in Müdigkeit, Lustlosigkeit, Gereiztheit, schlechtem Schlaf, Verspannungen oder in veränderten Essgewohnheiten. Frühzeitig wahrgenommen, können Störungen im Energiehaushalt mit den verschiedenen Methoden der Chinesischen Medizin rechtzeitig ausgeglichen werden. Wenn Symptome über längere Zeit ignoriert oder falsch behandelt werden, kann sich eine Krankheit manifestieren und der für die Wiederherstellung des Gleichgewichts nötige Zeitraum wird sich je nach Schwere der Krankheit verlängern.
In der Chinesischen Medizin werden die folgenden Behandlungsmethoden – einzeln oder in Kombination – entweder vorbeugend zur Gesunderhaltung oder zur Behandlung von Krankheitsmustern angewendet. Man nennt sie „Die fünf Säulen“ der Chinesischen Medizin:
Erste Anzeichen für ein medizinisches System in China stammen bereits aus der Shang Periode, ca. 1600 - 1100 v. Chr. Damals glaubte man noch, dass Krankheiten durch wütende und unzufriedene Ahnen verursacht wurden. Die Therapie bestand darin, die Ahnen mit Opfergaben zu beschenken und sie mit Essen, Tee und Kleidern zu beschwichtigen.
Im Verlauf der Zhou Periode (1027-221 v. Chr.) entwickelte sich unter dem Einfluss der taoistischen und konfuzianischen Philosophien ein neues medizinisches System. Konzepte über Mikrokosmos-Makrokosmos und das Leben mit und im Fluss der Natur entstanden aus der taoistischen Philosophie. Im Konfuzianischen Gedankengut hatten hingegen systematische Entsprechungen ihren Ursprung wie die Theorie über Yin und Yang und die fünf Wandlungsphasen. Diese neuen Sichtweisen waren grundlegend von Bedeutung für die Entwicklung der Traditionellen Chinesischen Medizin.
Während der Han Dynastie (206 v. Chr. – 220 n. Chr.) erlebte die Chinesische Medizin ihre eigentliche Ursprungs- und Blütezeit. Damals entstanden die vier Klassiker der Chinesischen Medizin:
"Huang di Nei Jing", Der Klassiker des Gelben Kaisers
"Nan Jing", der Klassiker der Schwierigkeiten, eine Erklärung des Huang di Nei Jing
"Shang Han Za Bing Lun", Der Klassiker der Kälteschäden und andere Krankheiten und
"Shen Nong Ben Cao Jing", Materia Medica des Gottes des Ackerbaus, der Klassiker der Arzneimittelrezepturen
Diese vier Grundlagenwerke haben bis heute ihre Gültigkeit und bilden die Basis für die weitere Entwicklung und Verfeinerung der TCM und aller später erschienenen Werke.
Eine weitere besondere Entwicklung erfuhr die TCM in den Song- und Yuan-Dynastien zwischen 960-1368 n. Chr. Unter vielen neuen Theorien wurden die vier berühmtesten von den vier Meistern dieser Zeit verfasst und es entstanden die vier verschiedenen Schulen.
Ebenfalls in der Yuan-Dynastie wurde die erste unabhängige medizinische Universität gegründet.
Nachdem sich die Republik China immer mehr den Einflüssen westlicher Ideologien öffnete, erlebte die Traditionelle Chinesische Medizin um 1929 beinahe den Niedergang. Dank Protesten des Volkes und praktizierender Ärzte konnte verhindert werden, dass die Traditionelle Chinesische Medizin gänzlich verboten wurde.
Nach der Machtübernahme durch die Kommunisten im Jahr 1949 forderte Mao Ze-dong die besten chinesischen Ärzte auf, Bücher zu schreiben und das Wissen über die Traditionelle Chinesische Medizin mit der westlichen Medizin zu ergänzen und zu modernisieren. Diese Wiederbelebung unter westlichem Einfluss, geprägt von deren neuen Erkenntnissen und Ideen, entsprach nicht mehr dem ursprünglichen und traditionellen Konzept und es entstand der neue Begriff der „Chinesischen Medizin“.
Zu Anfang der proletarischen Kulturrevolution, im Jahr 1966, erlitt die Chinesische Medizin einen weiteren Schlag. Aberglaube und Feudalismus sollten für immer aus der Gesellschaft verschwinden und dies betraf auch die von Mao Ze-dong institutionalisierte Chinesische Medizin. Sämtliche Schulen wurden geschlossen, die meisten Bücher über die Traditionelle Chinesische Medizin vernichtet und die chinesischen Ärzte und Gelehrten zu harter Landarbeit geschickt, was die meisten von ihnen nicht überlebten.
Die sich in der Folge anbahnende Gesundheitskrise und die Erkenntnis, dass es an ausgebildeten Ärzten mangelte, gaben Anlass, dem Kommunismus treue Männer und Frauen in 3-monatigen Schnellkursen in Akupunktur auszubilden und sie als sogenannte „Barfuss-Ärzte“ aufs Land zu schicken, um dort die fehlende medizinische Hilfe zu leisten.
Nach der Kulturrevolution, in den 70er Jahren, wurden endlich Universitäten wieder eröffnet und in den 80er Jahren wurde die drei Pfade Politik eingeführt: Die traditionelle Chinesische Medizin, die westliche Medizin und eine Kombination der beiden. Alle drei Richtungen werden bis heute weiterentwickelt und praktiziert.